In diesem Band, in dem alle relevanten geisteswissenschaftlichen Disziplinen vertreten sind, wird das Denken der jüdischen Tradition nicht mehr wie gewohnt an den Rationalitätskriterien des philosophisch-wissenschaftlichen Denkens gemessen, unter denen es dann willkürlich und irrational erscheint, sondern selbst zum Horizont der Kritik gemacht. Ziel ist es, von den namhaftesten Vertretern der jüdischen Tradition her das europäische Denken zur Besinnung über seine Grundentscheidungen zu bringen.
Orientierung, so könnte man sagen, ist Bedingung allen Lebens, so auch des menschlichen. Sie wird darum als etwas angeboten, das man 'haben' und 'geben' kann, ist zu einem Markt geworden, auf dem sich Ratgeber aller Art und nicht zuletzt die Philosophie und die Ethik tummeln. Dennoch ist philosophisch ungeklärt, wie in der menschlichen Orientierung 'Übersicht' und 'Halt' zustande kommen, wie 'die Vernunft' und ihre Gründe, 'die Sprache' und ihre Zeichen, 'die Gesellschaft' und ihre Moral, Religion, Wissenschaft und Kunst Anhaltspunkte schaffen und Spielräume eröffnen, mit denen man dann 'etwas anfangen' kann. Der Begriff des Sich-Orientierens ist mit Moses Mendelssohn und Immanuel Kant in die Philosophie gekommen und seither so selbstverständlich geworden, daß er philosophisch kaum mehr befragt wurde. Die Beiträge dieses Bandes unternehmen daher den Versuch, schrittweise neu zu erschließen, was Orientierung sein könnte.