Anders als in der modernen Gesellschaft, in der politisches Handeln wesentlich als ein Handeln mittels Entscheidungen erscheint, bestimmte im Mittelalter die strenge Rangordnung den zentrale Entscheidungsrahmen. Der Rang markierte die soziale Identität des Einzelnen. Eine Entscheidung des Herrschers war eine konfliktträchtige Angelegenheit, wenn sie an den Rang geknüpfte Ansprüche bedrohte und deshalb als Ehrverletzung empfunden wurde. Wegen solcher potentiell destabilisierender Folgen bestand Herrschaftsausübung oft genug darin, Entscheidungen zu vermeiden und in der Schwebe zu halten. Der vorliegende Band versammelt Beiträge deutscher, polnischer, tschechischer und ungarischer Historiker, die 2023 in Brno/Brünn verschiedene Facetten herrscherlichen Entscheidens thematisierten.
Entscheiden vermeiden im Mittelalter
Der sogenannte Cappenberger Barbarossakopf gehört zu den berühmtesten und bekanntesten Denkmälern der Kunst des 12. Jahrhunderts. Er wird heute in der ehemaligen Klosterkirche des Prämonstratenserstiftes Cappenberg, der Stiftskirche St. Johannes Evangelist aufbewahrt. Der Kopf wirft viele Fragen auf, die eine Tagung im Jahr 2019 in Cappenberg zu beantworten versucht: Wen stellt der Kopf eigentlich dar? Was ist seine liturgische Funktion? Wie ist der Kopf historisch zu kontextualisieren? Wie erklärt sich die Identifikation des Kopfes mit dem Stauferkaiser Friedrich Barbarossa? Hat diese Zuschreibung noch Bestand? -neue Forschungen zu einem der außergewöhnlichsten Kunstwerke des 12. Jh.-interdisziplinäre Beiträge zur Cappenberger Stiftskirche und zu ihrem Kirchenschatz