Die Frage, ob es gerechtfertigt ist, im Völkerrecht Anknüpfungen an die 'bellum iustum'-Tradition zu erkennen, war und ist umstritten. Unter besonderer Berücksichtigung des 'narrative turn' in der Völkerrechtswissenschaft, gilt es dem Thema neue Aufmerksamkeit zu widmen. Es zeigt sich, dass der 'bellum iustum'-Begriff im Völkerrecht nicht unschädlich gemacht wurde oder gar »überwunden« werden kann. Der Rekurs auf naturrechtliche Gedanken kann nicht ausgeschlossen werden, da Recht wertbezogen ist.
Wiewohl es angesichts wiedererstarkter »traditioneller« Souveränitätsverständnisse und spätestens seit dem Truppenabzug aus Afghanistan wenig überzeugt, weiter unbeirrt von einem Siegeszug liberalen Denkens zu sprechen, so impliziert dies mitnichten die Schlussfolgerung, dass der Westen seinen Anspruch auf eine liberale Weltordnung aufgegeben hat. Der Forschungsansatz, inwieweit die Menschenrechte in einer ideologiekritischen Perspektive als Voraussetzung des Friedens gelten können, hat speziell im Hinblick auf den machtpolitischen Aufstieg Chinas sowie den gegenwärtig zu verzeichnenden Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine weiter an Berechtigung gewonnen: jenseits einer allein akademischen Fragestellung der Theoriekritik hin zu einer weltpolitischen Grundlagenforschung.